Er betrachtete sein Schwert. Und seine Männer betrachteten ihn.
Ein Bein vor sich auf einen abgetrennten Kopf gestellt, ließ er den Blick über seine Klinge wandern und zwang die Erschöpfung von seinen Zügen. Sein Schwert war schartig und verschmiert. Genauso wie er selbst. Die Männer seines Kommandos, die noch lebten, mussten denselben Eindruck von ihm als Person haben, wie er von seiner Klinge: Von den besten Schmieden des Landes aus Material gefertigt, selten und kostbar. Ein Tötungswerkzeug, erhoben zu etwas Wunderschönem, doch jetzt verbraucht und hässlich werdend. Noch konnte man einen Teil der Pracht erkennen, die beide, Schwert und Krieger, in ihrem besten Zustand ausgestrahlt hatten. Doch die Flamme flackerte. Das Licht war bedroht. Seine Rüstung sah aus, als hätte er sich in Schlamm und Schlimmerem gewälzt und sein linker Schulterschutz hing nur noch an einem einzelnen Lederriemen.
Der in Fetzen hängende Rest seines Wappenrocks, in den Farben seiner Familie, Blau und Gold, hing schwer von Flüssigkeiten von seinen Schultern, doch er widerstand dem Drang, ihn herunterzureißen. Es waren die Farben seiner Familie! Er würde sie bis in den Tod tragen. So, wie es auch seine Soldaten tun würden.
Er wandte sich dem kleinen Haufen zu und zwang sich zu einem wilden Grinsen.
Nur noch zwölf! Von ehemals sechsundfünfzig Mann, ein jeder von ihnen ein Veteran und ein treuer Freund.
‚Es ist so viel einfacher, totes Fleisch zu schneiden, nicht wahr? Es ist so weich!‘
Ein paar seiner Männer schlugen auf ihre gesplitterten Schilde. Ein paar spuckten aus. Ihnen allen lag der Übelkeit erregende Geschmack der Verwesung im Mund.
Er besah sich noch einmal sein Schwert, befühlte die schartige Schneide und wünschte, es wäre Blut, das auf dem Stahl glänzte. Aber in ihrem Feind gab es kein Blut mehr.
‚Es sind einfach zu viele …‘ hörte er einen Mann murmeln und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Truppe. Er sah die giftigen Blicke und die Ellenbogenstöße, mit denen seine Kameraden den Zweifler bedachten und lächelte. Sie standen auf verlorenem Posten, das wussten sie alle. Aber niemand wollte es ausgesprochen hören. Ihre Disziplin forderte, dass sie selbst jetzt nicht in Kauf nahmen, offen über etwas zu sprechen, das die eigene Moral, den eigenen Kampfeswillen, untergraben könnte.
Der Gemaßregelte, ein erfahrener Krieger seines Kommandos und ohne Fehl und Tadel, sah peinlich berührt aus und senkte entschuldigend den Kopf, bevor er die einhändige Streitaxt hob und auf ein Rundschild schlug. An den Rändern war der Schild ausgefranst und splitterig.
Waren sie nicht ein müder Haufen? Nur einen halben Tag zuvor hatten ihre Kriegsschreie den Boden erbeben lassen und sie hatten sich mit Prahlereien ihrer Taten gegenseitig zum Lachen gebracht. Und jetzt war es da. Das vermeintlich glorreiche Ende.
Der schmale, gemauerte Gang unter der versündigten Stadt Mornvyr, dem Versteck von Noi-rhom, war verstopft mit Leichen. Krieger in Blau und Gold stapelten sich mit den zerhackten Überresten der Untoten. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Toten wieder auferstehen würden, denn die Reichweite und Macht des Godemorderen war hier, in seiner unterirdischen Festung und dem Herzen seiner Macht, ungebrochen.
Willem Hobs, genannt Keilerkarl, Freiherr von Lauwenstein, führte ein paar Probeschwünge mit seinem beschädigten Schwert aus. Er registrierte das Stechen in seinem überlasteten Ellenbogen. Dann ein Warnruf. Schlurfende Schritte aus der Dunkelheit. Es galt! Sie mussten es schaffen! So vieles hing davon ab.
Sie mussten den Godemorderen töten. In mehr als 150 Jahren war niemand so weit gekommen wie sie. Es musste gelingen!
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